Functional Training – Hype oder Wundermittel?

Veröffentlich am 28. April 2023

Functional Training (dt. funktionelles Training) ist mit Core-Training seit Jahren eines der größten Buzzwords in der Fitnesswelt und wird als das Allheilmittel aller körperlichen Probleme propagiert. Doch was versteht man eigentlich unter Functional Training, unterscheidet es sich überhaupt vom klassischen Krafttraining und welche Vorteile bietet es dir?

Das und viele weitere Fragen klären wir in diesem Beitrag.

Was du in diesem Artikel lernst

  • Warum es an sich kein Non-functional Training gibt
  • Wie funktionelles Training häufig definiert wird
  • Welche Vorteile dir ein ausgewogenes Training bieten kann
  • Warum es sinnvoll sein kann, mehrere Muskelgruppen gleichzeitig zu trainieren, wenn du deine Performance steigern möchtest

Eine kritische Betrachtung der gängigen Definition

Zunächst einmal wollen wir uns mit dem Begriff Functional Training auseinandersetzen. In den letzten Jahren sieht man immer wieder YouTube-Videos von Influencern, die eher Zirkustricks durchführen und euch als Functional Training Übungen verkaufen wollen. Diese Übungen werden als das Nonplusultra der Trainingslehre angepriesen und können nahezu schon Blinde wieder zum Sehen verhelfen. Im Grunde genommen ist jedoch jedes Training, egal ob an der Maschine, an der Freihantel oder mit dem eigenen Körpergewicht funktionelles Training. So hat die Studie von Ide et al. (Is There Any Non-functional Training? A Conceptual Review), dass es:

  1. Keine eindeutige Definition des Begriffs gibt
  2. Trainingsprogramme für funktionelles Training, die selber Vorteile verfolgen, wie traditionelle Trainingsprogramme
  3. Die verwendeten Übungen sich ebenfalls nicht von den klassischen Übungen unterscheiden

Auch Brad Schoenfeld, einer der weltweit führenden Fitnessexperten stellt nochmal heraus, dass es sowas wie nicht-funktionelles Training nicht gibt:

“Functional training” is one of the most overused and misapplied terms in the fitness field. Functional transfer is specific to individual goals & abilities; an exercise that promotes functional benefits for one person won’t necessarily do so for another.

Kurz gesagt: Ob es für dich funktionelles Training ist, hängt von deinen Trainingszielen ab! Wenn dein also Ziel z.B. ist, einen starken Bizeps für deine Meisterschaft im Armwrestling zu bekommen, dann sind schwere Bizepscurls für dich absolut funktionell.

Bewegungen, anstatt Muskelgruppen – Die gängige Definition von Functional Training

Nachdem wir nun geklärt haben, dass eigentlich jedes Training “functional” ist, schauen wir uns an, wie die Trainingsform häufig definiert wird und warum es durchaus Sinn macht, nach diesen Trainingsprinzipien zu trainieren.

Functional Training wird häufig als eine Trainingsmethode definiert, die darauf abzielt, deinen Körper als Ganzes zu trainieren und dabei die Bewegungen und Anforderungen des Alltags und verschiedener Sportarten zu berücksichtigen. Dabei wird häufig ein Ganzkörpertraining, mit dem Fokus auf Mehrgelenkübungen legt, ausgeführt. Das Ziel des Trainings ist eine Erhöhung der Maximalkraft, Mobilität, Stabilität, Schnelligkeit und Ausdauer sowie der koordinativen Fähigkeiten. Ebenfalls spielt die Prävention von Verletzungen eine große Rolle.

Für den Rest des Artikels werden wir also Functional Training genauso definieren.

Funktionelles Training – Was sind die Vorteile einer solchen Trainingsmethode

Workouts, die auf eine solche Art und Weise konzipiert sind, haben viele Vorteile. Einige davon sind:

Verbesserung der allgemeinen Fitness

Functional Training fördert die Ganzkörperfitness, indem es alle Muskelgruppen in natürlichen Bewegungsmustern trainiert. Es hilft dir dabei, deine Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit zu verbessern und ein ausgewogenes Trainingsprogramm zu gestalten. So schaffst du es alle Aspekte zu trainieren, die für ein langes Leben wichtig sind und erleichterst dir den Alltag.

Stärkung der Rumpfmuskulatur

Die Rumpfmuskulatur ist essenziell für die Stabilisierung deines Körpers und spielt eine wichtige Rolle bei vielen alltäglichen Bewegungen sowie in verschiedenen Sportarten. Functional Training hilft dir, einen starken und stabilen Rumpf aufzubauen. Nur, wenn du genug Stabilität bei der Übungsausführung hast, kannst du auch Kraft aufbauen.

Reduzierung des Verletzungsrisikos

Da Functional Training den gesamten Körper trainiert und sich auf natürliche Bewegungsabläufe fokussiert, kann es dazu beitragen, das Verletzungsrisiko zu reduzieren. Durch die Stärkung von Muskeln, Bändern und Sehnen werden Gelenke stabilisiert und die Belastbarkeit deines Körpers erhöht.

Verbesserung der Beweglichkeit und Koordination

Functional Training verbessert nicht nur deine Kraft und Ausdauer, sondern auch deine Beweglichkeit und Koordination. Dies ist besonders wichtig, um im Alltag und im Sport geschmeidige und effiziente Bewegungen ausführen zu können. Durch ein solches spezielles Fitnesstraining wirst du ein besserer Sportler.

Übungen und Equipment im Functional Training

Wie gesagt, ein Non-functional Workout gibt es an sich nicht. Aus diesem Grund möchte ich dir einige Übungen vorstellen, die mehrere Muskelgruppen gleichzeitig und dir helfen, eine Leistungssteigerung in deinem täglichen Leben zu erfahren.

Körpergewichtsübungen für den Einstieg

Functional Training lässt sich leicht in deinen Alltag integrieren, da viele Übungen auch ohne zusätzliche Geräte durchführbar sind. Training ohne Geräte kann insgesamt sehr sinnvoll für dich sein, wie du in meinem Artikel erfahren kannst.

Hier sind vier grundlegende Körpergewichtsübungen bzw. Calisthenics-Übungen, die du überall und jederzeit ausführen kannst:

  • Kniebeugen: Eine ausgezeichnete Übung, um Beine und Gesäß zu kräftigen. Die Kniebeuge sieht für viele einfacher aus, als sie eigentlich ist und erfordert viel Mobilität und Stabilität für eine sichere Ausführung, insbesondere, wenn du mit Gewichten trainierst.
  • Liegestütze: Sie trainieren den gesamten Oberkörper, hauptsächlich Brust, Schultern und Trizeps.
  • Plank: Eine hervorragende Core-Übung, die den gesamten Rumpf stabilisiert und kräftigt.
  • Ausfallschritte: Der Ausfallschritt trainiert Beine und Gesäß und verbessern gleichzeitig die Balance.

Dieses Equimpent macht jedes Workout “funktioneller”

Zusätzliche Trainingsgeräte können hilfreich sein, um deine Workouts feinzujustieren. So gestaltest du deinen Trainingsplan effizienter und erreichst schneller deine Ziele. Hier sind einige Hilfsmittel, die ich jedem empfehlen kann:

  • Kettlebells: Die Kettlebell oder Kugelhantel ist ein ausgezeichnetes Werkzeug, mit dem du deine Kraft, Explosivität und Stabilität trainieren kannst. Kaum ein Hilfsmittel ist für so viele Übungen einsetzbar.
    Ein wichtiger Hinweis: Eine der beliebtesten Übungen mit der Kettlebell ist der Kettlebell Swing. Jedoch sehe ich häufig eine Ausführung, die nur entfernt an die richtige erinnert. Damit dir diese Fehler nicht passieren, möchte ich ein Video der richtigen Ausführung von meiner sehr geschätzten Personal Trainer Kollegin und Kettlebell Expertin Pia Scherenberger teilen:

Falls ihr Interesse an ausgezeichnetem und auf Kettlebells fokussierten Personal Training habt, kann ich euch nur raten, eine Stunde bei Pia zu buchen.

  • Medizinball: Der Medizinball hilft dir besonders bei rotierenden und explosiven Bewegungen und kann ein treuer Begleiter bei deinem Rumpftraining sein.
  • Slingtraining: Suspension Training ermöglicht unzählige Übungsvariationen und fördert gleichzeitig Kraft, Beweglichkeit und Rumpfstabilität.
  • Langhantel: Squats, Dead Lifts und Overhead Presses sind Mehrgelenksübungen, die in keinem Plan fehlen dürfen, wenn dein Trainingsziel der Kraftaufbau ist und es gibt kein besseres Werkzeug, als die Langhantel, um dieses Ziel zu erreichen.

So erstellst du deinen individuellen Functional-Training-Plan

Die besten Übungen bringen dir nichts, wenn du sie nicht sinnvoll miteinander kombinierst. Bei der Erstellung deines Trainingsplans solltest du auf folgende Punkte achten:

Ermittlung deiner persönlichen Fitnessziele

Um einen effektiven Functional-Training-Plan zu entwickeln, solltest du zunächst deine persönlichen Fitnessziele definieren. Möchtest du abnehmen, Muskeln aufbauen, deine sportliche Leistung verbessern oder lange und gesund leben? Die Antwort auf diese Frage wird dir helfen, den richtigen Fokus für dein Training zu setzen, die passenden Übungen auszuwählen und die weiteren Trainingsparameter dementsprechend

Festlegung von Trainingsfrequenz und -dauer

Je nach deinen Zielen und deinem aktuellen Fitnesslevel solltest du entscheiden, wie oft und wie lange du pro Woche trainieren möchtest. Als Anfänger könnten zwei bis drei Trainingseinheiten pro Woche ausreichen, während Fortgeschrittene möglicherweise vier bis fünf Einheiten anstreben sollten, um genügend Reize zu setzen.

Auswahl der passenden Übungen für dein Level

Es ist wichtig, dass du Übungen auswählst, die deinem aktuellen Fitnesslevel entsprechen und deine individuellen Bedürfnisse und Ziele berücksichtigen. Dabei solltest du sowohl Körpergewichtsübungen als auch Übungen mit Hilfsmitteln in Betracht ziehen, um ein abwechslungsreiches und herausforderndes Training zu gestalten und deinem Körper die Bewegung zu geben, die er braucht.

Regelmäßige Anpassung des Trainingsplans für kontinuierliche Fortschritte

Um kontinuierliche Fortschritte zu erzielen, solltest du deinen Trainingsplan regelmäßig überprüfen und anpassen. Das kann bedeuten, die Intensität, das Gewicht oder die Anzahl der Wiederholungen zu erhöhen, neue Übungen einzuführen oder die Reihenfolge der Übungen zu ändern. Hier kann dir ein Personal Trainer behilflich sein. Brauchst du Hilfe, um deinen Trainingsplan online zu erstellen? Dabei helfe ich dir natürlich auch gerne.

Functional Training im Sport: Steigere deine sportliche Leistungsfähigkeit

Die Bedeutung von Functional Training für verschiedene Sportarten

Functional Training kann dir helfen, deine sportliche Leistung in vielen Sportarten zu verbessern, dazu zählen:

  • Fußball: Stärkere Beinmuskulatur, verbesserte Koordination und erhöhte Rumpfstabilität können dazu beitragen, deine Schusskraft und Schnelligkeit auf dem Feld zu erhöhen und dich in Zweikämpfen stabiler und widerstandsfähiger zu machen.
  • Basketball: Funktionelles Training kann dir helfen, eine bessere Sprungkraft und Stabilität zu entwickeln, was im Basketball absolut entscheidend sein kann.
  • Tennis: Durch ein verbesserte Rumpfstabilität und mehr Kraft in Armen und Beinen kannst du härtere und präzisere Schläge ausführen und bist schneller auf den Beinen. Gleichzeitig reduzierst du dein Verletzungsrisiko.
  • Schwimmen: Functional Training kann dazu beitragen, deine Rumpfstabilität und Kraft in den Armen zu verbessern, was zu einer effizienteren Schwimmtechnik und schnelleren Zeiten führt.

Wie Functional Training die sportliche Leistung optimiert

Neben den sportartspezifischen Vorteilen kannst du durch Functional Training deine allgemeine Athletik verbessern und steigern. So wirst du zum Allroundathleten und erhälst unter anderem folgende Vorteile:

  • Schnellere Reaktionsfähigkeit: Functional Training kann die neuromuskuläre Kontrolle fördern, wodurch sich deine Reaktionsfähigkeit verbessern kann.
  • Bessere Körperstabilität: Eine starke Rumpfmuskulatur ist entscheidend für die Stabilisierung des Körpers während dynamischer Bewegungen und hilft, Verletzungen vorzubeugen.
  • Erhöhte Explosivkraft: Funktionelles Training kann die Schnell- und Explosivkraft verbessern und ermöglicht es dir somit schneller und kraftvoller zu werden
  • Ausgeprägtere Koordination: Indem du dein funktionelles Training auf Übungen konzentrierst, die Koordination und Gleichgewicht trainieren, wirst du in der Lage sein, geschickter und präziser in allen Sportarten zu agieren.

Expertenmeinungen zum langfristen Nutzen von Functional Training

Wenn es auch keine Einigkeit bzgl. der Definition von Functional Training gibt, so sind sich Experten doch über die Vorteile eines Trainings mit überwiegend Mehrgelenksübungen und dem Fokus auf Stabilität, Mobilität, Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer einig.

Dr. Stuart McGill, ein renommierter Rückenforscher und Professor an der University of Waterloo in Kanada, betont die Bedeutung von Functional Training für die Stärkung der Rumpfmuskulatur und die Vorbeugung von Rückenschmerzen. Laut Dr. McGill ist eine starke Core-Muskulatur entscheidend für die Stabilität und Gesundheit der Wirbelsäule sowie die Prävention von Verletzungen im Alltag und beim Sport.

Gray Cook, Physiotherapeut und Mitbegründer des Functional Movement Systems (FMS), hebt die Rolle von Functional Training bei der Verbesserung der Bewegungsmuster und der neuromuskulären Koordination hervor. Cook betont, dass funktionelles Training nicht nur die Leistungsfähigkeit im Sport steigert, sondern auch dabei hilft, Bewegungseinschränkungen zu erkennen und zu beheben, um so Verletzungen vorzubeugen.

Der Sportwissenschaftler und Trainer Mark Verstegen, Gründer von EXOS (früher Athletes’ Performance), hat mit seinem Ansatz des “Core Performance” gezeigt, wie Functional Training Athleten dabei unterstützt, ihre sportlichen Ziele zu erreichen und gleichzeitig ihre Lebensqualität zu steigern. Verstegen betont, dass ein ausgewogenes Training, welches Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Stabilität berücksichtigt, essenziell für die langfristige Gesundheit und Leistungsfähigkeit ist.

Fazit

Wie du siehst, ist Functional Training nicht das, als was es verkauft wird und somit weder besser, noch schlechter als andere Trainingsformen. Letzendlich kann jedes Trainingsprogramm, was dir bei denen persönlichen Zielen hilft als funktionelles Training bezeichnet werden. Trainiere also deinen Zielen entsprechend und du wirst funktionell trainieren.

In meinen Augen spielt die Begrifflichkeit keine große Rolle. Studien zeigen, dass es essenziell ist, unseren Körper auf möglichst viele verschiedene Art und Weisen zu bewegen. Wie dieses Training genannt wird ist, alles in allem, egal.

Quellen

  • McGill, S. – Back Mechanic: The Step-by-step McGill Method to fix back pain (2016)

  • Cook, G., Burton, L., & Hoogenboom, B. – Pre-participation screening: The use of fundamental movements as an assessment of function (2006)

  • Westcott, W. L. – Resistance training is medicine: Effects of strength training on health (2012)

Geschrieben von Oleg
Als ausgebildeter Personal Trainer, MovNat Level 2 Coach und Fitnesstrainer bringe Oleg seit über 10 Jahren allen Altersgruppen und Fitnesslevels Training, Ernährung und das Wichtigste über Regeneration näher. Sein Ansatz geht über das physische Aussehen hinaus, er zielt darauf ab, dass seine Klienten sich stark, mobil, schmerzfrei und energetisch fühlen.

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